Dienstag, 18. Oktober 2011

Von ungezählten, wolkigen Tagen

Die Tage vergehen, die Schreiblust hat sich schlafen gelegt,Ideen halten sich hinter Wolken versteckt. Und je länger die Wortleere anhält, desto verschwommener werden die Erlebnisse. Sie befinden sich in einem sonderbaren Zwischenraum, wo sich alles ausdehnt und gleichzeitig schrumpft.
Weil nun viel Zeit vergangen ist, folgen mehr oder weniger stichwortartige Erinnerungsetappen.

Griechische Abschiedsküsse
Ihr letzter Kitesprung auf dem naxoanischen Wasser, der wenig elegant dafür umso schmerzhafter endete, mit einer nach Luft ringenden und japsenden Sie. Höllische Schmerzen, schlaflose Nächte mit einem gefühlten Messer im Brustkorb, sitzen, gehen, stehen, liegen – es gab kein Entrinnen, keine Milderung. Schmerztabletten, griechischer Salat und jede Menge Ouzo, die Diagnose: geprellte Rippe, Heilmittel: keins, Genesungszeit: drei bis vier Wochen.
Fähre, Zimmersuche in Piräus, mitleidige, vorwiegend männliche, Blicke für den Er, da er das gesamte Gepäck schleppen musste, während sie mit einem kleinen Rucksäckchen bestückt neben ihm einherging, gleich einer Prinzessin mit Lasttier. Zeit tot schlagen in einer lärmigen, schmutzigen Stadt, Strassenhunde streicheln, ältere Griechen, welche den Kopf der Sie tätschelten sobald der Er mal abwesend war und unverständliche Worte murmelten, farben- und gerüchevolle Märkte besuchen, Geschenke kaufen, Süssigkeiten essen, Schmerztabletten schlucken. Was sie als aus Griechenland mitgenommen haben:
Erinnerungen an eine behagliche Zeit
- Kiteerfahrungen
- Seeigelstacheln
- eine geprellte Rippe
- eine Mückenklappe

Über den Wolken, Zürich und schon wieder in den Wolken:

Sie flogen von Athen nach Zürich, wo sie sich bei der Gepäckausgabe auch schon verloren. Genau genommen ging er verloren, so schritt sie allein durch die Sicherheitskontrolle auf freien schweizerischen Boden, wo sie von lieben Freunden empfangen wurde. Nur er tauchte nicht auf. Die Schiebetür ging auf und zu und spuckte unbekannte Personen aus. Es folgte ein erfolgloser Versuch ihrerseits wieder in den Hochsicherheitstrakt der Gepäckausgabe zu gelangen, was mit einem unfreundlichen Wortgefecht zwischen ihr und zwei Sicherheitsbeamtinnen und einem Rauswurf,
( “Sie müssen sich ausweisen”, “mein Pass hat mein Freund und der ist irgendwo da drinnen”, “wir können Sie nicht reinlassen”, “aber mein Freund ist da drinnen (sehr theatralisch)”, “wenn Sie sich nicht ausweisen könnnen....” ,”aber Sie haben mich doch vor fünf Minuten hier hinausgehen sehen”,”wenn Sie sich nicht ausweisen können...verlassen Sie jetzt sofort diesen Raum!”, “sch... Schweizer, ver..... noch mal “ etc.),
zehn Anrufen auf das Natel und einem Ausruf durch die Lautsprecher schliesslich nach einer Stunde mühsamen Wartens doch noch mit einem Ausspuck von ihm endete(er hat in der Zwischenzeit seelenruhig mit seinen Eltern telefoniert). Es folgte ein zu kurzes, schönes Essen mit den Freunden und eine elend lange Nacht auf einem orangenen Sofa einer Flughafenbar. Das Surren der Staubsaugerautos vermischt mit einer unendlichen Schleife von kitschigen Balladen aus den Lautsprechern liess sie nicht in den Schlaf gleiten. Um fünf Uhr in der Früh konnten sie endlich einchecken, bei der Gepäckaufgabe wurde der übermüdete Er zum Rambo mit unergründlicher Mission, was folgende Auswirkungen mit sich zog:
- entnervtes Personal
- verängstigte Spanierinnen, mit welchen er tapfer Schweizerdeutsch sprach ungeachtet der Tatsache, dass sie ihn nicht verstanden
- ein hysterisch kicherndes Mädchen ob all seiner unanständigen Ausdrücken
- ein verdutzter älterer Herr, den er rabiat vom Schalter wegdrückte
- peinlich berührte Sie

Als sie ihn zwei Stunden später vorsichtig darauf ansprach, wusste er von nichts.
16 Stunden später, nach einem kurzen Aufenthalt in Madrid, wo eine Gruppe orthodoxer Juden den Wartesaal kurzum in einen spektakulären Gebetstempel verwandelten, landeten sie in Costa Rica.


Karibische Gemütlichkeit
Sich an die Zeitverschiebung und die tropisch feuchte Luft gewöhnen, schlafen, schwitzen, mit klapprigen Bussen an die Karibikküste fahren. Durch den Nebelwald, durch grüne Vegetation, einfache Hütten, sich bis an den Horizont erstreckende Bananenplantagen, schmutzige Arbeiter, welche unter den Bananenbüschen schlafen. Die Anwesen der Bosse protzig, bestückt mit Autos und Schnellbooten. Die erste Bleibe in Puerto Limon ein überteuertes Hotel Namens “Big Boy”, ein klebriges, stickiges, stinkendes, düsteres Zimmer, die Zeit vorwiegend auf der Strasse verbracht, als einzige Touristen. Zu entdecken gabs eigentlich nur kulinarische Spezialitäten, auf welche sie sich schon seit geraumer Zeit freute und welche alte Erinnerungen weckten. Erinnerungen schmecken irgendwie immer besser.
Der Höhepunkt war dann auch der Besuch eines Coiffeurs, sie wollte sich die Spitzen schneiden lassen. Als die gute Frau eine riesige Küchenschere zu Tage förderte, übergab sie sich ihrem Schicksaal ohne Spiegel. Sie verliess das Geschäft mit einer schrecklichen Mozartfrisur. ( er hatte einige Tage unter ihrem Gejammer zu leiden).
Eine kleine Ortschaft namens Cahuita, geprägt von einem jamaikanischen Lebensrythmus. Lange Spaziergänge durch den Regenwald, Affen, Waschbären, Krebse, Faultiere, Jesuseidechsen ( gehen auf den Hinterbeinen und können übers Wasser laufen), Schmetterlinge, Leguane, Kolibris, Papageien, Pelikane und einen Kaiman im Garten.
Ein Dorf weiter (puerto viejo) fanden sie eine gemütliche Unterkunft bei einem deutschen Päärchen,Olaf und Kati, wo sie ruhige, familiäre, die Knochen schonende Tage verbringen konnten, gemeinsam mit zwei Hunden, drei Katzen und jeder Menge prächtiger Giftfrösche.
Ihre mehr oder weniger kurzfristigen Zimmermitbewohner:

- einen Krebs
- eine Riesenheuschrecke (in gekonnter Teamarbeit haben sie sie mit Pfanne und Messer (seine Idee) aus dem Zimmer gebracht)
- eine Riesenkröte ( sie hat sich beim Hinaustransport mit einem satten Urinstrahl verteidigt, knapp nur das Gesicht der Sie verfehlt)
- 100000 Moskitos (er hat sich geschlagen gegeben)
- eine Babykatze, die für zwei Tage in ihrem Bett schlafen durfte, bevor sie ein neues Zuhause bakam. Emma hiess sie und sie biss mit vorliebe in Zehen.

Ab und zu Regen der aufs Wellblechdach trommelte, viel in den Hängematten gelesen, manchmal träge Ausflüge gemacht. Nebensaison.

Sintfluten und pazifische “Nordsee”
Nun zu viert unterwegs, sich in Puerto Viejo getroffen, aus den Augen verloren, dann in San Jose wiedergefunden. Mit dem Bus durch fädigen Regen ( nein, da gibt es keine Tropfen mehr) an die pazifische Küste gefahren.
Tamarindo, ein veramerikanisierter Surferort, Golfrasen, Springbrunnen, riesige Hotelkomplexe, top modische Shops neben kleinen farbigen Hütten, Schotterwegen, verkommenen Hinterhöfen.
Regen und Regen, das Meer eine wilde,warme, braune Suppe. Es gibt keine Postkartenbilder, nur grau und braun und Regenschütze und tief ins Gesicht gezogene Kapuzen. Das Dorf liegt im Halbschlaf, bereitet sich träge auf die Menschenmasse vor, die bald einmal eintreffen wird. Sich im Wellenreiten versuchen, im Bett verkriechen, Spiele spielen, sich die Laune nicht verderben lassen.Ockerfarbene Bäche auf den Strassen, Waschbären, die das Katzenfutter klauen. Nebensaison. Regenzeit.
(Und wenns doch einmal nervt: Wetterbericht Schweiz anschauen, das wirkt sich positiv auf die Stimmung aus.)

Affe

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