vom Pechhund
Zurück in Costa Rica, Playa Junquillal – wie ein winziges Bergbauerndorf in der Schweiz. Die Einwohner eine verschworene Zweckgemeinschaft, unausgesprochene Missstände über Köpfen und zwischen Gesichtern am Stammtisch beim Sunset-bier, unterschwellige Spannungen und jede Menge Klatsch und Tratsch, den sie, die Fremden, schon am ersten Tag zu hören bekommen, obs interessiert oder nicht. Menschen, nicht unbedingt verschlossen, vielmehr eigenartig hart in ihrem Verhalten und Denken, als würde ein Ballon ihr kleines Dorf umschliessen,eingekapselt, vielleicht ein bisschen zu weit weg von allem und vielleicht auch ein bisschen müde, ausharrend in einem fremden Land, dessen Fremdheit irgendwie zu verbittern scheint. Und in betrunkenen oder besonders offenen Momenten kleine Eingeständnisse des Unglücks.
Mit einem Schweizer (wen überraschts einen solchen an solch einem Ort zu finden), der ihnen sehr wohlgesinnt war, schlossen sie einen netten Deal, der die Unterkunft im günstigen Praktikantenzimmer beinhaltete sowie Arbeit gegen Abendessen.(Brot backen, Fliegengitter anbringen,malen usw.)
Bünzlig aber wahr: Das schweizerische Essen löste einen leichten Freudetaumel aus, da sie langsam damit begonnen haben sich gegenseitig zu untersuchen und sich zu versichern, dass sie noch keine abartigen Spuren von Reis und Bohnen und Huhn aufweisen.
Die Sie wollte schon lange einmal am Meer reiten, alter romantischer Mädchentraum einer dreizehnjährigen Wendyleserin, sei es hier halt eben zugegeben. Wellen, wehende Haare, ohne Sattel, weisser Sand und schwarzes Pferd – in Playa Junquillal war das möglich, oder zumindest so ähnlich.
Sie schliefen viel, badeten die Grippe aus, ritten (der Er fands nach anfänglichem Murren und bubenhaften Ängsten dann auch ganz gut), surften auf Luftmatratzen , verschlangen eine Menge Pipas (unreife Kokosnüsse), beobachteten das Dorfleben, schlossen Freundschaft und setzten den Altersdurchschnitt bedenklich herab. Sie blieben ein bisschen hängen dort, in der Endlosschleife wie viele andere auch und es war ok.
Pura Vida.Rösti, grüner Salat, Aromat und Streumi.
Nun in Bahia Salinas, Kitespot. Der Er wieder sehr friedlich und die Sie auch und – naja- verletzt. Es ist nämlich so, dass ihr das Pech ein bisschen zum treuen Freund und Begleiter wurde. Sie geht jetzt nur noch vorsichtig, darauf bedacht frühzeitig zu erkennen, wann ihr Pechhund sie wieder in die Ferse beisst.
Das erste Mal war natürlich gleich am ersten Tag. Stachelrochen ahoi am Strand. Sie wurden darauf hingewiesen, der Sie sank auch gleich das Herz ein paar Zentimeter Richtung Hose, hat sie doch schon einmal Bekanntschaft mit einem stachligen Meeresbewohner gemacht.
Und so erstaunte es nicht, als sie bei ihrem vorsichtigen Gang durch das seichte Wasser, wie befohlen die Füsse durch den Sand ziehend und in einem Tempo das für jeden Aussenstehenden grosse Fragezeichen aufwerfen musste, mit angestrengt angespanntem Körper und etwas entstellten Gesichtszügen – zack – ein Stich in den Fuss, ein Schrei und sie plötzlich ganz schnell am Strand. Ein Schmerz im ganzen Bein, eine kleine blutige Wunde. Nach einer halben Stunde Wasserbad, Schmerzmittel und warmem Rum war klar: der Schmerz wurde nicht schlimmer,nur ein Streifschuss, Glück gehabt – oder so.
Das zweite Mal war natürlich gleich am ersten Tag. Kaum waren die Schmerzen weg, schnappte sie sich heldenhaft das Brätt Pitt für die nächste Runde. Dumm nur, stürzte der Bruno ins Wasser und liess sich weder mit lieben Worten (komm schon Kleiner, flieg endlich wieder, komm schon) noch unter lautem Gefluche (du dummer Sauhund du) und grössten Kraftanstrengungen in die Lüfte erheben. Dann sah sie die Steine und ihr erbärmlicher Kurs war genau darauf gerichtet. Sie bekam einen leichten Anflug von Panik, der so leicht war, dass sie in ihrer Verzweiflung so stark an den brunoischen Leinen riss, dass sie eine doch anschaulich tiefe Wunde in der Hand davontrug, was sie aber erst viel später bemerken sollte. Sie beide trieben da also schön vor sich hin, sie keuchend und ziehend und schwimmend und fluchend und reissend und der Bruno einfach treibend, einfach regungslos, einfach gemütlich. Weit und breit keine Hilfe, die Menschen am Strand nur kleine Punkte weit unter ihr. Dann kam der Er, der Held, mit grossem Kite angefahren und sein Anblick empfand sie als so schön wie selten zuvor, bis er sie erreichte und seine Stimme nicht nach Hilfe sondern vielmehr nach Ärger klang. Was dann geschah:
Er: Was machst du hier? (sauer)
Sie: Na, ich treibe. (hilflos)
Er: Ich kann dir nicht helfen. (sauer)
Sie: Wirklich nicht? (weinerlich)
Er: fährt davon
Sie: treibt weiter
Dann kam er, der wirkliche Retter, unscheinbar über die Steine geklettert, wo er sie samt Bruno aus dem Wasser fischte, während sie die Luft anhielt als ihr Körper über die mit Seeigel besetzten Steine glitt. Aber sie hatte Glück, vor weiteren an den Körper gebundenen Zitronen blieb sie verschont. Erst als sie die Füsse auf die Steine setzte, kam die nächste Pechhundattacke, sie rutschte aus, plumpste der Länge nach hin = Schürfwunden, blaue Flecken etc.
Sie fühlte sich unbeschreiblich graziös.
Der Er kam nun über den Strand gehechtet und bei näheren Betrachtungen stellte sich heraus, das der Ärger doch mehr Sorge war, die sich in einem riesigen Wortschwall über sie ergoss und wenig nett war, dann aber abrupt verstummte und in einer blutigen Umarmung endete.
Sie hat nun gelernt sich und den Bruno selber zu retten, dass kann man nämlich wenn mans kann.
Sie befinden sich hier mitten in der Kiterszene und wohnen im abrakadabra: KITEhouse.
Sie ist dieser Szene manchmal überdrüssig, das stolze Getänzel am Strand gewisser modischer Kiter, die alltäglichen Gespräche über die Windbeschaffenheit, stark, schwach, böig, löchrig, instabil und weiss der Windgott was. Diskussionen über verschiedene Kitemarken, Formen, Stärken,Eigenschaften, und der immer gleichen Frage aus aller Mund wenn man vom Wasser kommt: „how was your session?“. Und dann fachmännisches Gefassel über Board und Fahrweise und ein weiteres Mal über den Wind.
Im Kitehouse ist immer was los, Privatsphäre ist auf später verschoben. Sie teilen ihre Bleibe mit einem sehr liebenswerten russischen Grüppchen, einem holländischen Paar und einem immer wiederkehrenden Neuseeländer.
Alles angenehm, wäre da nicht der Pechhund, der immerzu nach ihr lechtzt.Ihre Fusssohle zerschnitten von Steinen und Muscheln, so dass sie im Moment mehr humpelt als geht.
Ausserdem wurde sie, natürlich nur sie, beim Yoga mit einer Russin (ist es noch nennenswert zu sagen, dass sie Yoga irgendwie nicht so mag), von irgendwelchen netten schwarzen Käferchen gebissen, ein paar Mal mehr als erträglich.
Des Nachts, wenn alles friedlich schläft, wandelt sie nun durch das Haus, vom Beissen geplagt, und schmiedet Mordpläne . Wie bringt man einen Pechhund um?
Mit einem Schweizer (wen überraschts einen solchen an solch einem Ort zu finden), der ihnen sehr wohlgesinnt war, schlossen sie einen netten Deal, der die Unterkunft im günstigen Praktikantenzimmer beinhaltete sowie Arbeit gegen Abendessen.(Brot backen, Fliegengitter anbringen,malen usw.)
Bünzlig aber wahr: Das schweizerische Essen löste einen leichten Freudetaumel aus, da sie langsam damit begonnen haben sich gegenseitig zu untersuchen und sich zu versichern, dass sie noch keine abartigen Spuren von Reis und Bohnen und Huhn aufweisen.
Die Sie wollte schon lange einmal am Meer reiten, alter romantischer Mädchentraum einer dreizehnjährigen Wendyleserin, sei es hier halt eben zugegeben. Wellen, wehende Haare, ohne Sattel, weisser Sand und schwarzes Pferd – in Playa Junquillal war das möglich, oder zumindest so ähnlich.
Sie schliefen viel, badeten die Grippe aus, ritten (der Er fands nach anfänglichem Murren und bubenhaften Ängsten dann auch ganz gut), surften auf Luftmatratzen , verschlangen eine Menge Pipas (unreife Kokosnüsse), beobachteten das Dorfleben, schlossen Freundschaft und setzten den Altersdurchschnitt bedenklich herab. Sie blieben ein bisschen hängen dort, in der Endlosschleife wie viele andere auch und es war ok.
Pura Vida.Rösti, grüner Salat, Aromat und Streumi.
Nun in Bahia Salinas, Kitespot. Der Er wieder sehr friedlich und die Sie auch und – naja- verletzt. Es ist nämlich so, dass ihr das Pech ein bisschen zum treuen Freund und Begleiter wurde. Sie geht jetzt nur noch vorsichtig, darauf bedacht frühzeitig zu erkennen, wann ihr Pechhund sie wieder in die Ferse beisst.
Das erste Mal war natürlich gleich am ersten Tag. Stachelrochen ahoi am Strand. Sie wurden darauf hingewiesen, der Sie sank auch gleich das Herz ein paar Zentimeter Richtung Hose, hat sie doch schon einmal Bekanntschaft mit einem stachligen Meeresbewohner gemacht.
Und so erstaunte es nicht, als sie bei ihrem vorsichtigen Gang durch das seichte Wasser, wie befohlen die Füsse durch den Sand ziehend und in einem Tempo das für jeden Aussenstehenden grosse Fragezeichen aufwerfen musste, mit angestrengt angespanntem Körper und etwas entstellten Gesichtszügen – zack – ein Stich in den Fuss, ein Schrei und sie plötzlich ganz schnell am Strand. Ein Schmerz im ganzen Bein, eine kleine blutige Wunde. Nach einer halben Stunde Wasserbad, Schmerzmittel und warmem Rum war klar: der Schmerz wurde nicht schlimmer,nur ein Streifschuss, Glück gehabt – oder so.
Das zweite Mal war natürlich gleich am ersten Tag. Kaum waren die Schmerzen weg, schnappte sie sich heldenhaft das Brätt Pitt für die nächste Runde. Dumm nur, stürzte der Bruno ins Wasser und liess sich weder mit lieben Worten (komm schon Kleiner, flieg endlich wieder, komm schon) noch unter lautem Gefluche (du dummer Sauhund du) und grössten Kraftanstrengungen in die Lüfte erheben. Dann sah sie die Steine und ihr erbärmlicher Kurs war genau darauf gerichtet. Sie bekam einen leichten Anflug von Panik, der so leicht war, dass sie in ihrer Verzweiflung so stark an den brunoischen Leinen riss, dass sie eine doch anschaulich tiefe Wunde in der Hand davontrug, was sie aber erst viel später bemerken sollte. Sie beide trieben da also schön vor sich hin, sie keuchend und ziehend und schwimmend und fluchend und reissend und der Bruno einfach treibend, einfach regungslos, einfach gemütlich. Weit und breit keine Hilfe, die Menschen am Strand nur kleine Punkte weit unter ihr. Dann kam der Er, der Held, mit grossem Kite angefahren und sein Anblick empfand sie als so schön wie selten zuvor, bis er sie erreichte und seine Stimme nicht nach Hilfe sondern vielmehr nach Ärger klang. Was dann geschah:
Er: Was machst du hier? (sauer)
Sie: Na, ich treibe. (hilflos)
Er: Ich kann dir nicht helfen. (sauer)
Sie: Wirklich nicht? (weinerlich)
Er: fährt davon
Sie: treibt weiter
Dann kam er, der wirkliche Retter, unscheinbar über die Steine geklettert, wo er sie samt Bruno aus dem Wasser fischte, während sie die Luft anhielt als ihr Körper über die mit Seeigel besetzten Steine glitt. Aber sie hatte Glück, vor weiteren an den Körper gebundenen Zitronen blieb sie verschont. Erst als sie die Füsse auf die Steine setzte, kam die nächste Pechhundattacke, sie rutschte aus, plumpste der Länge nach hin = Schürfwunden, blaue Flecken etc.
Sie fühlte sich unbeschreiblich graziös.
Der Er kam nun über den Strand gehechtet und bei näheren Betrachtungen stellte sich heraus, das der Ärger doch mehr Sorge war, die sich in einem riesigen Wortschwall über sie ergoss und wenig nett war, dann aber abrupt verstummte und in einer blutigen Umarmung endete.
Sie hat nun gelernt sich und den Bruno selber zu retten, dass kann man nämlich wenn mans kann.
Sie befinden sich hier mitten in der Kiterszene und wohnen im abrakadabra: KITEhouse.
Sie ist dieser Szene manchmal überdrüssig, das stolze Getänzel am Strand gewisser modischer Kiter, die alltäglichen Gespräche über die Windbeschaffenheit, stark, schwach, böig, löchrig, instabil und weiss der Windgott was. Diskussionen über verschiedene Kitemarken, Formen, Stärken,Eigenschaften, und der immer gleichen Frage aus aller Mund wenn man vom Wasser kommt: „how was your session?“. Und dann fachmännisches Gefassel über Board und Fahrweise und ein weiteres Mal über den Wind.
Im Kitehouse ist immer was los, Privatsphäre ist auf später verschoben. Sie teilen ihre Bleibe mit einem sehr liebenswerten russischen Grüppchen, einem holländischen Paar und einem immer wiederkehrenden Neuseeländer.
Alles angenehm, wäre da nicht der Pechhund, der immerzu nach ihr lechtzt.Ihre Fusssohle zerschnitten von Steinen und Muscheln, so dass sie im Moment mehr humpelt als geht.
Ausserdem wurde sie, natürlich nur sie, beim Yoga mit einer Russin (ist es noch nennenswert zu sagen, dass sie Yoga irgendwie nicht so mag), von irgendwelchen netten schwarzen Käferchen gebissen, ein paar Mal mehr als erträglich.
Des Nachts, wenn alles friedlich schläft, wandelt sie nun durch das Haus, vom Beissen geplagt, und schmiedet Mordpläne . Wie bringt man einen Pechhund um?
Henne Jael - 5. Dez, 02:17