Mittwoch, 21. September 2011

Von windstillen Tagen, stachligen Meeresbewohnern und sauren Entschuldigungen

Er hat sich davongeschlichen, sie bemerkten es erst am Morgen, denn es war so still wie noch nie, beinahe unheimlich, kein Pfeiffen, kein Rauschen, rein gar nichts. Dafür Wolken am Himmel, die ersten Wolken seit zwanzig Tagen.Zehn grosse schwere Regentropfen hatten sie für die Insel übrig, mehr nicht, die der Boden gierig verschlang.
Ihr Verdacht bestätigte sich umso mehr, als sie eine kleine Erkundungstour starteten. Am Himmel kein Kite, der Strand wie leergefegt. Die wenigen einsamen Gestalten meist füdlibluut und nur mit Taucherbrille und Flossen bestückt, skurile Szenen.
Sie beschlossen, zu einer kleinen Insel mit einer Kapelle zu schwimmen, etwa einen Kilometer vom Strand entfernt. Unterwegs mussten sie feststellen, dass ihre Beschaffenheit im Wasser eher einem Stein als einem Fisch gleicht. So schwammen sie, eine gefühlte Stunde, aus allen Löchern pfeiffend. In ihrer Not hatte sie sich den kleinen Aarenschwimmsack ins Bikini gestopft, der zumindest ein bisschen Auftrieb gab und ihr eine pralle Oberweite bescherte.
Das Wasser glasklar, hellblau, türkis, dunkelblau, leichte Wellen nur, wie Melasse. Sie hatte vergessen oder verdrängt oder bis dahin nicht gewusst, dass ihr tiefe Gefilde mit schwarzen Schatten, welche sich durch die Reflektion zu bewegen scheinen, nicht sonderlich behagen. Mit klopfendem Herzen, leisen Aufschreien bei Einbildungen(?) etwas hätte ihr Bein gestreift, strampelte sie sich, leise summend, die Insel fest im Blick, ans andere Ufer. Er schwamm ganz heldenhaft immer ein paar Meter vor ihr mit dem Versprechen, der Köder zu sein.
Kaum hatte sie Grund unter den Füssen, stand sie ab, spürte einen ganz leichten Stich, seuftze erleichtert auf, sagte: “Uff, jetzt dachte ich schon, ich sei auf einen Seeigel getreten”, und entdeckte im selben Moment die stachlige, schwarze Kugel keine fünf Millimeter von ihrem grossen Zehen entfernt. Sie hatte dem Tierchen zwei Stacheln entrissen, die nun in ihrem Fuss stecken und sich auch nicht unter Gewimmer und grosser Kraftanstrengung seinerseits herausziehen lassen. Sie fands halb so schlimm, bis am nächsten Tag die Schmerzen kamen. Jetzt humpelt sie mit einer Zitrone unter dem Fuss (Säure soll Stacheln auflösen) durch die Gegend.

Einen Tag später wollte sie einen Roller mieten, um die Insel zu erkunden. Er machte ihr einen Strich durch die Rechnung, oder das Internet, denn es versprach für diesen Tag Wind, entgegen jeglicher Vernunft.Zwar willigte er in das Vorhaben ein, jedoch mit Totengräberstimmung und der Überzeugung, es sei so etwas von sinnlos, durch die Gegend zu rollen. Sie verspürte wenig Lust auf einen Ausflug, auf dem sie bei jedem Windstösschen in ein vorwurfsvolles Gesicht blicken müsste, noch hatte sie das Bedürfnis allein mit der Zitrone unterwegs zu sein. Also trotteten sie zum Strand, wo er enthusiastisch auf den versprochenen Wind wartete. Als der Hauch auch nach einer Stunde noch ein Hauch war, begann er den Kite aufzubauen. Nachdem er sich mühevoll davon überzeugt hatte, dass das sachte Streicheln des Windes den Drachen nicht vom Boden zu heben vermag, brach die Stille über sie hinein.


Die Entschuldigung kam ein paar Stunden später in Form einer frischen, saftigen, extra sauren Zitrone, welche er führsorglich und vorsichtig an ihrem Fuss befestigte und welche sie sehr milde stimmte.
Sie haben sich jetzt wieder lieb.

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